Corona ist wie ein Spiegel, in dem wir unsere lokalen als auch globalen Gesellschaften ungeschönt sehen können – sofern wir es denn wollen. Corona zeigt aber nicht nur die unschönen Probleme in Deutschland, beispielsweise im Bildungs- oder dem Gesundheitssystem, auf, sondern auch Ungleichheiten sowie Diskriminierung im globalen Maßstab. Ein brisantes Beispiel ist der ungleiche Zugang zu Impfstoffen. Durch Steuergelder staatlich subventioniert haben mehrere westliche Firmen schnell Impfstoffe entwickelt, die jedoch vorrangig an westliche Staaten verkauft werden. Während in Europa und Nordamerika ein Großteil der Menschen doppelt geimpft ist, trifft dies nur auf knapp 7% der Menschen auf dem afrikanischen Kontinent zu. In den globalen Süden kommen Impfdosen daher nur spät und in viel zu geringen Maßen, quasi nur der unverkaufte Rest sowie die ‘großzügigen’ Spenden von Impfdosen, die im globalen Norden einfach niemand mehr haben will.

Da verwundert es kaum, dass nun auch die neuste Mutation außerhalb Europas und Nordamerikas nachgewiesen wurde. Ob die Mutation wirklich aus Südafrika stammt, spielt dabei keine Rolle, viel wichtiger ist der Zusammenhang zwischen Impfquote und Mutation. So zeigt die Wissenschaft auf, dass geringe Impfquoten Virusmutationen begünstigen, während insbesondere die Herdenimmunität aus genesenen und vor allem geimpften Personen wichtig für die Pandemielösung ist.

Südafrikanische Wissenschaftler*innen arbeiten derzeit auf Hochtouren, um die Welt kostenfrei mit aktuellen Erkenntnissen zu Omikron zu versorgen, auf deren Grundlage die Impfstoffe aktuell angepasst werden, auch vom deutschen Biontech-Unternehmen. Anstatt das Impfen ganzheitlicher anzugehen, um die Pandemie für alle weltweit schneller in den Griff zu bekommen, lenken die westlichen Staaten in der Streitfrage um eine Aussetzung der Patente auf die Impfstoffe, mit deren Hilfe global schneller Impfstoffe produziert werden könnten, weiterhin nicht ein. Nationale Alleingänge beim Ankauf der Impfstoffe finden weiterhin statt, so geht das Impfen in Deutschland in die 3. Boosterrunde, während in anderen Teilen der Welt weiterhin noch Impfstoff für die 1. Impfrunde fehlt. Zugleich wurde kurzfristig mit einem kompletten Mobilitätsstop reagiert, wohlgemerkt nur für Nicht-EU-Bürger*innen. Die EU geht auf Nummer sicher, aber das auf Kosten Südafrikas, das von Reisebeschränkungen und möglicherweise erneut nötig werdenden Lockdowns wirtschaftlich und damit gesellschaftlicher viel stärker getroffen wird. Beispielsweise werden durch die Transportbeschränkungen derzeit Chemikalien knapp, die die südafrikanischen Labore aber dringend brauchen für die Pandemiebekämpfung.

Es zeigt sich, dass Profite und der Schutz der eigenen Unternehmenslandschaft sowie Bevölkerung in Europa und Nordamerika eine höhere Priorität als Menschenleben anderswo haben. Im Gegensatz dazu forscht Südafrika nun auch an einem eigenen Corona-mRNA-Impfstoff, um die Pandemie zu besiegen. Dieser neue Impfstoff soll zugleich allen zugute kommen, so wird auf einen Patentschutz verzichtet – stattdessen soll es eine Open-Source-Technologie sein. Auf diese Weise sollen so viele Länder wie möglich Impfstoffe mitproduzieren können. Denn es gibt sehr wohl viele Pharmaunternehmen in Afrika, Asien und Lateinamerika, die in der Lage sind, solch einen Impfstoff zu produzieren, ihnen fehlte bislang nur die Technologie, die eben aber die großen Impfstoffhersteller bisher nicht herausrücken wollten. Die Welthandelsorganisation WTO, die für die Patentfreigabe rund um das Impfen bisher erfolglos mitkämpfte, fördert die südafrikanische Pharmafirma “Afrigen Biologics and Vaccines”. Der einzige Haken: Da die großen Impfstoffhersteller bisher abgeblockt haben, kann der südafrikanische Impfstoff leider erst 2022 getestet werden und wird durch die strengen Auflagen erst 2024 marktreif sein können. Am Ende führen solche nationalen Alleingänge wie in Europa und Nordamerika vielleicht noch dazu, dass wir deutlich länger in einer Pandemiesituation leben müssen.

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