Bei vielen Menschen, die ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland wiedergesehen habe, war eine der ersten Fragen zu meinem Auslandsaufenthalt: „Und wie war das mit Corona in Südafrika?“ Das liegt natürlich nahe, da meine Mitfreiwilligen und ich unser “weltwärts”-Jahr aufgrund des Virus schon fünf Monate früher abbrechen mussten als geplant. Nachdem ich nun schon seit einigen Monaten zurück in Deutschland bin, möchte ich erzählen, wie ich die Situation vor Ort und unsere Rückreise erlebt habe.

Eigentlich fing alles genauso an wie in Deutschland auch, nur etwas später. Bis die ersten ernsthaften Nachrichten über das Coronavirus Anfang März Südafrika erreichten, hatte sich Covid-19 in Europa bereits weit ausgebreitet und erste staatliche Sicherheitsmaßnahmen waren getroffen worden. Zunächst war diese Situation für mich noch nicht greifbar und, wie viele andere Menschen auch, konnte ich das Virus nicht richtig einschätzen. Aber nur kurze Zeit später wurden die ersten Corona-Fälle in Südafrika verzeichnet und vermehrten sich rapide. Da sich die Situation in Europa verschlimmerte (es wurden auch bei uns bereits die ersten Berichte über die Notlage in Italien bekannt) und da TLF ihre Mitarbeiter*innen verantwortungsbewusst auf die zu erwartende Krise vorbereitete, wurde der Ernst der Lage schnell klar. Gerade für eine Organisation wie TLF, deren Communities sehr viele Menschen angehören, die zur Risikogruppe zählen, wäre ein Ausbruch des Coronavirus äußerst gefährlich. Dieses Bewusstsein führte zu schnellen Änderungen im Arbeitsumfeld. Alle Mitarbeiter*innen wurden dazu angehalten, ihre Kontakte außerhalb der Arbeit auf ein Minimum zu beschränken, um die Community-Mitglieder nicht zu gefährden.
Auch für uns als Freiwillige waren diese Tage Mitte März sehr ereignisreich. Gerade erst war uns bewusst geworden, dass viele von uns auf ihren Familienbesuch im März und April würden verzichten müssen, da wurden auch schon die ersten Vermutungen angestellt, dass wir unsere Familien in nicht allzu langer Zeit vielleicht schon auf deutschem Boden wiedersehen würden. Schließlich beschloss das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dass alle Entsendeorganisationen von „weltwärts“ ihre Freiwilligen schnellstmöglich zurück nach Deutschland bringen sollten. Auf mich wirkte die Vorstellung, jetzt den Freiwilligendienst abzubrechen und nach Hause zurückzukehren, zunächst mehr als abwegig. Ich war gerade erst richtig angekommen, hatte mich langsam mit dem „neuen“ Umfeld vertraut gemacht und fühlte mich mitten in einer persönlichen Entwicklung, die nun einfach abgebrochen werden sollte. 
Bald traten unweigerlich entsprechende Veränderungen ein. Auch wenn wir noch nicht wussten, wann genau wir nach Hause fliegen würden, war es Zeit, Abschied zu nehmen. Sowohl von Mitarbeiter*innen von TLF, als auch von den Community-Mitgliedern und unseren Freunden. Da es zwei Freiwilligen einer anderen Entsendeorganisation, die auch bei TLF gearbeitet und mit uns zusammengewohnt hatten, möglich war, Südafrika schon früh zu verlassen, konnten unsere beiden Freiwilligen-WGs zusammengelegt werden. So konnte die Unterkunft, in der auch ich gewohnt hatte, in dieser Ausnahmesituation von TLF genutzt werden. Zu dem Haus gehört ein großes Gelände, auf dem einige Mitglieder der Obdachlosen-Community des Projektes Akanani vorläufig untergebracht werden konnten, um sie vor dem Virus zu schützen. 
Die letzten Tage in Südafrika verbrachten meine Mitfreiwilligen und ich also alle gemeinsam. Auch wenn es zunächst etwas schwerfiel, unser Haus schon verlassen zu müssen und noch einmal umzuziehen, war es rückblickend vielleicht für uns alle das Beste. So konnten wir aus den Tagen, die noch kommen sollten, und die wahrscheinlich die schwierigsten waren, zusammen das Beste machen.
Schon kurz nachdem wir umgezogen waren, gab es immer drastischere Einschränkungen der südafrikanischen Regierung. Da man aus den Fehlern und dem Zögern der europäischen Staaten lernen konnte, wurden sehr schnell entsprechende Maßnahmen ergriffen. Infolgedessen wurde in Südafrika der Katastrophenzustand ausgerufen und eine der weltweit strengsten Ausgangssperren verhängt, die auch den absoluten Stillstand des nationalen und internationalen Flugverkehrs bedeutete.  Die südafrikanische Regierung entwarf einen Fünf-Stufen-Plan, der verschiedene Level öffentlicher Einschränkungen enthält, sodass die Krisenstufe immer wieder an die entsprechende Situation angepasst werden kann. Von Beginn des Lockdowns bis zu unsererAusreise befand sich das Land auf Level fünf, also der höchsten Stufe.
So sehr wir auch von der Angemessenheit so strenger Maßnahmen überzeugt waren, bedeutete das für uns als Freiwillige doch eine weitere Hürde. Diese Regelung würde es für die sehr bemühte deutsche Botschaft noch schwieriger machen, Rückholflüge für uns zu organisieren. So saßen wir also auf gepackten Koffern und wussten nicht, ob wir schon morgen, oder aber erst in zwei oder drei Wochen ausreisen würden können. Auch die Möglichkeit, dass wir während des Lockdowns gar nicht würden ausreisen können, bestand. Es war eine emotional anstrengende Situation, da wir alle zusammen auf recht engem Raum wohnten und uns durch die Ausgangssperre jede Ausweichmöglichkeit genommen wurde. Am schwersten war für mich jedoch die Ungewissheit darüber, wann wir nun ausreisen würden. Der Abschied von Südafrika fiel weiterhin schwer und so glaubte ich mehrmals, mich nun damit abgefunden zu haben, ausreisen zu müssen – nur um dann herauszufinden, dass wir vielleicht doch noch eine Weile lang bleiben würden. So ging dann die gesamte Spirale des persönlichen Abschieds wieder von vorn los. 
Diese letzten Tage des Wartens auf einen Flug zogen sich für uns sehr lang. Allerdings hatten wir viel, was uns die Situation erleichterte. Nicht nur die deutsche Botschaft sendete fast jeden Tag E-Mails, in denen sie alle für die Rückholflüge Eingetragenen über den aktuellen Stand der Dinge informierte. Auch die friends unterstützten uns von Deutschland aus mit allen Mitteln: ob es sich um neue Informationen, Aufmunterungen oder seelische Betreuung handelte, waren sie immer für uns da. Auch die Koordinator*innen vor Ort hatten trotz des vielen zusätzlichen Stress, in den sie die Ausnahmesituation brachte, immer ein offenes Ohr und nicht zuletzt hatten wir einander. In diesen letzten zwei Wochen fanden wir viel Zeit für lange Gespräche, Filmeabende und auch für das gemeinsame Verarbeiten dieses plötzlichen Abschieds. So kann ich sagen, dass für mich diese Zeit bis zu unserem Flug am 4. April zwar anstrengend war, aber nichtsdestotrotz auch mit schönen Erinnerungen verbunden ist.

Abschließend möchte ich aber noch auf etwas anderes hinweisen, das uns allen während der Zeit des Lockdowns bewusst wurde: als deutsche Freiwillige hatten wir das Privileg, in dieser Situation aus Südafrika ausreisen und nach Deutschland zurückkehren zu können. Deutschland war eines von sehr wenigen Ländern, die es schließlich schafften, trotz des nationalen Krisenzustands Bürger aus Südafrika zurück zu holen. So wurde mir erneut vor Augen geführt, dass ich als Freiwillige zwar die Chance hatte, ein neues Land und neue Kulturen kennenzulernen und davon zu profitieren. Trotzdem war ich zu keinem Zeitpunkt denselben Risiken ausgesetzt wie meine Kolleg*innen und Freund*innen, die in Südafrika leben. Die Rückholaktion des deutschen Außenministeriums hat für mich veranschaulicht, dass für mich im Notfall immer die Möglichkeit gehabt hätte, das Land einfach wieder zu verlassen. Denn obwohl der Corona-Ausbruch zu diesem Zeitpunkt in Deutschland weiter fortgeschritten war als in Südafrika, war aus verschiedenen Gründen anzunehmen, dass die Pandemie in Südafrika verheerendere Folgen haben würde als in Deutschland. Hier sind zum Beispiel das sehr ausgelastete staatliche Gesundheitssystem, die höhere Obdachlosenrate und die riskantere wirtschaftliche Ausgangssituation zu nennen. 
Für mich war es schwierig, mich mit diesem Privileg zufrieden zu geben, das meine neuen Freunde und Bekannten in Südafrika nicht haben. Denn auch wenn ich nur sehr ungern vorzeitig aus Südafrika ausgereist bin, ist nicht zu bestreiten, dass die Ausreise für mich eine Risikosenkung bedeutete. So habe ich aber auch für meinen eigenen Umgang mit der derzeitigen Krise etwas gelernt: Obwohl uns das Corona-Virus und seine Folgen auch in Mitteleuropa viele Opfer abverlangt, ist es wichtig, während und auch nach dieser Krise an Menschen in anderen Staaten zu denken, für die die Folgen noch verheerender sein werden. Wie so oft befinden wir uns in einer Situation, in der nur globaler Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung dazu führen können, die Verluste für alle so niedrig wie möglich zu halten.

Die Freiwilligen kurz vor ihrem Rückflug von Johannesburg nach Deutschland